Sebastian, erzähl uns doch mal wer du bist, was du machst und was dich antreibt.
EW: Du bist Designer. Vor deinem Studium an der Akademie in Münster, hast du eine Tischlerlehre gemacht. Was war der Impuls zum Studium?
SH: Die Leidenschaft zum Holz wurde mir bereits in die Wiege gelegt. Mein Großvater war Bildhauer, mein Vater Tischler mit Spezifizierung im Bereich Oberflächen.
Mein Ausbildungsbetrieb war eine kleine Wohnmanufaktur, wo jedes Möbel ein Unikat war. Hier wurde häufig mit Innenarchitekten zusammengearbeitet. Die Proportionen, Funktionen sowie die ausgewählten Materialien im Einklang mit der Räumlichkeit war eine Faszination. Das Schönste war jedoch, dass man selbst zum Ergebnis beitragen und mit seinem Einbringen sowie mit den eigenen Händen fertigen durfte. Wie der Name „Wohnmanufaktur“ bereits verrät, lag der Fokus auf dem gesamten Interieur und nicht nur auf das einzelne Möbel, was für mich auch prägend war. Nach meinem erfolgreichen Abschluss mit der gewonnenen Förderung „die Gute Form“ wurde mir schnell klar, dass ich nach dem Zivildienst, ebenfalls tätig als Tischler in einem Krankenhaus, meine geweckte Faszination und die entfachte Leidenschaft weiter ausbauen möchte. Ich habe mich nicht für das technische Produktsein entschieden, da ich meinen Fokus auf Möbel und dessen Inszenierung und Vermarktung legen wollte.
EW: Wie hat das Studium deinen Stil beeinflusst?
SH: Design ist anders, es verwandelt. Aus jedem Anliegen oder Bedürfnis etwas Spannendes zu gestalten, so dass es für uns emotional und mitreißend wirkt, ist immer wieder eine neue Herausforderung, mit der wir wachsen. Diese Herausforderung ist nicht immer leicht, aber mit jeder Faszination und jedem Lächeln wird diese Anstrengung belohnt.
Meine Entwürfe überzeugen durch ein klares und auf das Wesentliche reduzierte Design. Im Entwicklungsprozess spielen die Details ebenso eine bedeutende Rolle, wie die ausgewählten Materialien. Authentisch – Zwanglos – Klar! Durch die Kombination dieser Merkmale hebe ich mich von der Masse ab, denn ich führe Werte zusammen und lenke den Blick in Richtung Zeitgeist. Die hohe Qualität wird durch die regionale Produktion ermöglicht. Die Produkte sollen zeitlos wirken. Es steht nie als erstes der Preis im Vordergrund sondern das Ensemble aus Materialität, der Verbindung und somit der Handwerkskunst, die auch industriell umgesetzt werden kann.
EW: Als gelernter Tischler hast du ein Faible für Holz, was man vielen deiner Entwürfe entnehmen kann. Bei Echtwert ist der skulpturale Hocker „Vario Wood“ aktuell sehr gefragt. Worin liegt die Faszination? Was meinst du?
SH: Hier kommt das authentische Material Holz zur vollen Geltung, da der Hocker aus einem Stamm heraus gefertigt wurde. Man erkennt die reine Natur, mit Rissen und Ästen, das war mir besonders wichtig. Jeder Hocker spiegelt die Zeit von ca. 200 Jahren wieder und ist ein Unikat. Passend zu dem authentischen Material besteht dass Unterteil aus Sichtbeton, welches von unten hohl ist und mit Rollen versehen wurde. Die klare Form lässt das Objekt zeitlos erscheinen und folgt somit keinen Trend und fügt sich in jede Raumsituation ein. Der Trend geht zu authentischen, hochwertigen und nachhaltigen Produkten. Die Liebhaber dieser Stücke beschäftigen sich vor dem Kauf mit dem Produkt und dessen Herstellung sowie Herkunft und genau hier wird der Puls der Zeit getroffen.
EW: Für unser Hauslabel Modal Concept hast du das Regalsystem „Otono“ entworfen. Wie kam es zu der Zusammenarbeit?
SH: Auf der ZOW, einer Messe in Bad Salzuflen, habe ich als „OWL DESIGN TALENT“ mit meinem Prototypen des endlos erweiterbaren Regals ausgestellt, worauf Immi gestoßen ist. Als Immi mich zu seinem Stand einlud, merkte man einfach, dass die Chemie auf Anhieb stimmte und er überzeugte ganz klar mit seinem inneren Antrieb, der Leidenschaft, den ausgestellten Produkten sowie vor allem mit den Werten, für die er steht. Wir trafen uns zeitnah wieder um weitere Details zu besprechen und das Vertrauen war von Anfang an gegeben. Ich war sehr lange auf der Suche nach einem perfekten, hochwertigen sowie stabilen Material und Immi arbeitet mit diesem – Aluminium – und zusätzlich hat er das gesamte Know How. Das Team beschäftigte sich mit der Entwicklung und nun sind wir zum perfekten Ergebnis gekommen. Ich bin sehr froh ihn, sein Team sowie das gesamte Netzwerk kennen lernen zu dürfen und jetzt ein Teil davon zu sein.
EW: „Otono“ lässt sich komplett ohne Werkzeug aufbauen und ist endlos erweiterbar. Was hat dich dazu inspiriert und wo lagen die Herausforderungen?
Die Idee war es ein Regal zu fertigen, welches zeitlos, authentisch und zwanglos ist. Dabei war die spannende Herausforderung, dass das Regal kaum verschnitt hat, luftig und leicht aufzubauen ist, idealerweise sogar ohne Werkzeug. Das Schwierigste dabei war die Stabilität. Sperrholz war nicht stabil genug, HPL (High Pressure Laminate) war zu porös, Stahl zu schwer. Zum Glück hatte Immi die Idee mit eloxiertem Aluminium zu arbeiten. Das passte einfach perfekt. In Kombination mit massivem Holz für die Böden, die einfach zusammengeschoben werden, ist es ein großartiges Ensemble. Die klassische Handwerks-Verbindung mit Schlitz und Keil rundet das ganze ab und gibt die Stabilität. Aus dem Inneren der waagerechten Elemente lassen Sich die aufrechten Seitenteile fertigen und somit haben wir kaum Materialverlust, was mir bei der Produktion und dem nachhaltigem Gedanken sehr wichtig ist.
EW: Wie sieht deiner Meinung nach die Zukunft des Wohnens aus? Welche Entwicklung findest du dabei am spannendsten?
SH: Das gesamte Konsumverhalten verändert sich aktuell. Beim Kauf entscheidet nicht nur noch die Optik oder der Preis, sondern die Fragen was steckt hinter einem Produkt, wie wird produziert und welche Materialität wird verwendet. Wenn all diese Kriterien zu einem passen, wird sich bewusst für ein Lieblingsstück entschieden. Dieses steht nicht zwingend in der komplett durchdesignten Wohnung aus den Hochglanzmagazinen sondern kann genauso neben dem schwedischen Möbel platziert werden, mit dem man viele Jahre verbracht hat und in schönen Erinnerung schwebt. Die Wohnräume öffnen sich und werden ganzheitlich zu Kommunikationsplattformen. Durch die Globalisierung ist es nicht mehr wie früher, dass wir uns niederlassen, wo wir aufgewachsen sind sondern wir reisen. Daher ist es wichtig, dass man seine Lieblingsstücke immer wieder flexibel mitnehmen kann und sie von hoher Qualität sind, sodass diese eine lange Lebenserwartung haben und man nicht zwei- oder dreimal kaufen muss.
EW: echtwert ist ein Ort für inspirierenden Austausch. Wer hat dich zuletzt inspiriert? Und womit?
SH: Als letztes hat mich unsere gemeinsame Brotzeit inspiriert. Das gemütliche Zusammensitzen mit leckerem Gaumenschmaus und dem ein oder anderem Kühlgetränk in solch einer kreativen Runde war einfach beeindruckend. Der Austausch über aktuelle Themen, weiteres Vorgehen und den eigenen Anlässen untereinander war einfach herrlich. Jeder hat sich mit seiner Expertise und Sichtweise eingebracht und aus solch einer Runde konnte ich sehr viel Wissenswertes mitnehmen, die Motivation voneinander aufnehmen und für einen neuen Aufschwung nutzen. Um ein konkretes Beispiel zu geben fand ich den Austausch bezüglich der Fragestellung, womit wir eine weitere/neue Zielgruppe begeistern und ansprechen können, unter Berücksichtigung der einzelnen Werte, für die echtwert steht, sehr interessant.
EW: Welchen Designklassiker würdest du gerne einmal besitzen?
SH: Den Lounge Chair & Ottoman von Charles & Ray Eames von 1956. Dieser Stuhl soll mich immer dran erinnern zwischendurch zu entschleunigen, ein Rückzugsort sein sowie zur Besinnung dienen. Ich finde es beeindruckend, dass dieses Möbel einfach immer noch zeitgemäß in der Optik, Materialität sowie Funktion ist. Hier passt das Ensemble und es zeigt sich, dass, wenn man sich auf das Wesentliche konzentriert, dem Material treu bleibt und auf Details achtet, man einen Klassiker erschaffen kann.
EW: Du lebst in Ostwestfalen. Ist es ein guter Standort für Designer? Wie beeinflusst die Region deine Kreativität?
SH: Abgesehen davon, dass ich hier aufgewachsen bin, finde ich den Standort Ostwestfalen sehr gut. Nicht nur, dass hier viele Möbelfirmen ansässig sind, finde ich, dass die Umgebung und die Natur den Alltag entschleunigen können. Ich genieße aber auch die Zeit in internationalen Großstädten und lasse mich durch sie inspirieren und nehme die Eindrücke und Ideen auf, bin aber auch genauso froh wieder in der gewohnten Region zu sein, um sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.
EW: Woran arbeitest du gerade?
SH: Aktuell habe ich den kompletten Umbau des Bielefelder Restaurants „Law & Order“ abgeschlossen. Hier ging es um ein ganzheitliches Konzept. Die gesamte Einrichtung soll sich im kompletten Auftreten der Marke widerspiegeln. Parallel hierzu fand auch ein großes Make-Over in dem Eiscafé Dammann in Harsewinkel statt. Hier wurde nicht nur das Inventar erneuert, sondern auch eine Art Direktion vorgenommen. Das Erscheinungsbild wirkt immer stimmiger, da immer weiter an der CI gefeilt wird. Die Stärken und Kompetenzen der Firmen müssen herausgearbeitet und hervorgehoben werden. Sprich von der Speisekarte über die Homepage bis hin zur Inneneinrichtung und der Begrüßung der Kunden muss alles authentisch und auf den Punkt gebracht werden. ,,Fresh. Local. Love.“ ist hier das Motto.
Beim Produktdesign bin ich gerade dabei den spielerischen Papierkorb „Poubellie“ weiter auszuarbeiten und marktfertig zu machen. Hierbei spielen die Materialien wieder eine große sowie herausfordernde Rolle. Wirft man etwas in den Papierkorb hinein, beginnt er aufgrund seines abgerundeten Sockels zu wackeln und richtet sich immer wieder eigenständig auf. Die Idee entstand beim Designen. Ein paar Skizzen habe ich zerknüllt und in den Papierkorb geworfen. Es ist nicht immer leicht den perfekten Entwurf zu designen und warum soll es dann nicht Spaß bereiten, sich von den alten Entwürfen zu trennen?! Außerdem soll dieser Papierkorb weiter ins Rampenlicht gesetzt werden, denn durch seine schöne und stilvolle Facette braucht er sich nicht unter dem Schreibtisch zu verstecken.
EW: Was würdest du jedem empfehlen einmal auszuprobieren?
SH: Ich würde jedem empfehlen eine neue Kultur zu entdecken. Ich liebe es neue Menschen kennen zu lernen und mich mit Ihnen auszutauschen. Es sind die neuen Eindrücke, die mich begeistern aber viel mehr noch die Werte der einzelnen Kulturen. Bei einigen ist es z.B. die Superlative, bei anderen die Religion oder die Familie mit der gegenseitigen Unterstützung. Ich finde, diese Eindrücke kann einem niemand nehmen und beeinflussen einen selbst. Man wird teilweise geerdet und geht beim Designen perspektivisch anders vor. Was ist eigentlich wirklich wichtig und welche Werte soll mein Design widerspiegeln.