Aktuellesechtwert im Interview mit Tanja Kliewe-Meyer

30. September 2021by echtwert0

Foto: like a bird

Wann entstand Deine Idee zu like a bird? Gab es einen Impuls?

Die Idee entstand im November vor 12 Jahren (2009), als ich meinen ehemaligen Geschäftspartner auf einem Führungskräfte-Seminar in den deutschen Alpen kennenlernte. Dort sollten wir uns bei einer Übung einen Gegenstand und / oder ein Lebewesen aussuchen, mit dem wir uns identifizieren. Beide haben wir uns aus ähnlichen Gründen den Adler ausgesucht, der zu dem Zeitpunkt über uns flog. Seine edle Distanz zur Erde beim Flug, seine Fokussierung bei der Beutejagd, sowie vor allem sein vor Freiheit strotzender Flug, haben uns sehr inspiriert. Zudem versinnbildlicht er Naturverbundenheit und ein regelrechtes Fashion-Gefühl dazu – denn wer möchte sich nicht frei, beweglich und am liebsten auch unabhängig in seiner Kleidung fühlen? Hinzu kam, dass ich zu dem Zeitpunkt bereits das zweite Mal in einem Unternehmen arbeitete, in dem meiner Meinung nach, ein hohes Maß an sozialer Ungerechtigkeit sowie eine ausgeprägte ökologische Ressourcenverschwendung vorherrschte, mit der ich mich nicht mehr weiter identifizieren konnte. So entstand die Idee von like a bird. Ich wollte ein Unternehmen aufbauen, in dem die drei Säulen Ökologisches, Soziales und Ökonomisches in einer gesunden Balance durch und durch von allen gelebt werden können und es so eine Vorbildfunktion für viele andere Unternehmen wird.

Wie genau definierst Du Slowfashion? Was ist Dir wichtig?

Slowfashion ist für mich zeitlos und hat dennoch eine gewisse Attitude im Design ihrer Kleidung, damit diese nicht mehr so schnell auf dem Müll landet. Bei like a bird gibt es z.B. eine Limitierung der Produktionen, durch die wir eine Überproduktion vermeiden. Zudem sollte das Ursprungsmaterial von guter Qualität sein und ist deswegen hochpreisiger als Fast Fashion, aber langlebiger und allein deswegen schon schonender gegenüber Mensch und Umwelt. Wenn die Wiederverwertbarkeit nach dem Tragezyklus von Beginn an mitgedacht wird, ist dies für mich ein weiterer positiver Slowfashion-Aspekt. D.h. es sollte auf jeden Fall ein reduzierter Rohstoffeinsatz berücksichtigt werden und/oder die Rohstoffe sollten erneuerbar sein. Slowfashion bietet zudem ökologische Alternativen zu Polyester und herkömmlicher Baumwolle, u.a. Leinen, Hanf und Organic Cotton, deren Anbau von Natur aus wenig Wasser benötigt und Pestizide nicht notwendig macht. Hinzu kommen immer mehr innovativ-alternative Fasern, wie z.B. unsere preisprämierte Rosenviskose.

Wo liegen die Herausforderungen?

Die größte Herausforderung ist die sogenannte `Attitude Behaviour Gap`, die bei vielen Menschen zum Thema nachhaltige Mode / Slowfashion vorherrscht. D.h. zwischen der grundsätzlichen Einstellung und dem tatsächlichen Verhalten ist ein Unterschied. Nachhaltig zu handeln ist eine gute Absicht, die aber an der Ausführung des Zielverhaltens scheitert. Durch Skandale ist das Interesse der Bevölkerung an nachhaltiger Mode in den letzten Jahren gestiegen. Leider gilt dies momentan nicht in gleichem Maße für den tatsächlichen Konsum nachhaltiger Mode. Er ist immer noch ein Nischenphänomen, wenn auch ein wachsendes. Ein besseres Verständnis dieser Diskrepanz könnte den Markt für nachhaltig produzierte Kleidung voranbringen. Es ist an der Stelle noch viel Aufklärungsarbeit notwendig, obwohl das Thema Nachhaltigkeit im Allgemeinen aktuell ja auf der anderen Seite sogar zu einem der größten Mega-Trends gehört und gerade in diesem Jahr 2021 uns über die extremen Wetterereignisse gezeigt hat, wie weit der Klimawandel bereits fortgeschritten ist. Ich möchte meinen Beitrag dazu leisten durch viel Kommunikation das Thema in der Gesellschaft mit voranzutreiben und das Bewusstseins zu schärfen. Deswegen designe und produziere ich nicht nur nachhaltige Mode, sondern halte darüber hinaus auch Vorträge zu dem Thema, damit mein angestrebtes Zielverständnis – eine gesundes Balance von Ökologischen, Ökonomischen und Sozialen – nicht Ausnahme bleibt, sondern die Basis einer neuen gesunden Wirtschaft der Zukunft wird.

Worauf sollte man beim nächsten Stadtbummel unbedingt schauen?

Da fallen mir direkt mehrere Punkte ein:

  • Weniger Kleidung kaufen, d.h. statt häufig billig Kleidung zu kaufen, auf Stücke konzentrieren, die eventuell teurer sind, aber nach reifer Überlegung wirklich gemocht und entsprechend oft getragen werden.
  • Nachhaltige Mode kaufen. Hierbei auf Siegel und Zertifizierungen achten, die eine schadstofffreie Produktion, faire Arbeitsbedingungen und/oder nachhaltige Rohstoffe beinhalten – da für den Konsumenten oft nicht klar ist, was dahinter steckt, können Verbraucher- und Umweltschutzorganisationen hier Hilfestellung geben.
  • Die meisten Kleidungsstücke bestehen leider immer noch aus Polyester oder herkömmlicher Baumwolle. Nachhaltiger in der Produktion sind deren pflanzliche Alternativen wie z.B. Leinen, Hanf oder Organic Cotton von Natur aus. Mittlerweile werden zudem immer mehr ökologisch nachhaltige Kunstfasern hergestellt – wie unsere Rosenviskose, eine Zellulosefaser auf Basis von echten Rosen. Oder eben das Kaffeekarbon, von dem beim Waschen eben kein Mikroplastik, sondern organische Partikel ins Abwasser gelangen.

Ihr verarbeitet tierische, pflanzliche und alternative Fasern, unter anderem Ingwer- und Rosenfasern. Welcher Stoff ist Dein persönlicher Favorit und warum?

Mein ganz persönlicher Favorit ist unsere Rosenviskose! Als ich damals von dem Stoffhersteller die erste Griffprobe in die Hand bekommen habe, schossen mir direkt die Worte ´la vie en rose´ durch den Kopf. Welche Frau schmilzt bei dem Gedanken nicht dahin Kleidung am Körper zu haben, die aus Rosen hergestellt ist – und dann auch noch nachhaltig und mit natürlichen Farbstoffen gefärbt, so dass sie gut verträglich zur Haut sind. Der Griff der Ware ist ein Traum, zufällig  wie der eines Rosenblattes, zudem ist sie super pflegeleicht und ich liebe ihre nachhaltigen Eigenschaften. Für mich sind hier zudem sehr wichtige Komponenten vereint: edle anspruchsvolle Eigenschaften von Premiummode in Kombination mit höchsten ökologischen Ansprüchen. Was zeigt, dass nachhaltige Mode alles andere als dem veralteten Jutesack-Image entsprechen kann. Die Ware ist tatsächlich kompostierbar und kann am Ende ihres Tragezyklus dem ökologischen Kreislauf zu 100% zurückgeführt werden.

Ob in der Produktion im europäischen Ausland oder vor Ort in Löhne: Du legst Wert auf hohe soziale Standards. Was müssen wir uns darunter vorstellen?

Unsere Produktionsbetriebe in Mazedonien sind BSCI, in Litauen und Portugal mit GOTS zertifiziert. D.h., dass sie von unabhängigen Laboren einer permanenten Prüfung ihrer sozialen Standards unterliegen. Dies ist uns, neben regelmäßigen Besuchen vor Ort, sehr wichtig, damit unserer Verantwortung Mensch und Umwelt gegenüber nicht nur Wünsche, sondern gelebte Realität sind. Dazu gehören u.a. neben geregelten Arbeitszeitmodellen und selbstverständlich dem Verbot von Kinderarbeit auch die Gleichberechtigung von Frauen, angemessene Arbeitsschutzmaßnahmen sowie Gesundheitschecks der Mitarbeiter. Vor Ort in Löhne haben wir ein flexibles Arbeitszeitmodell. Die Festangestellten können ihre 40 Stunden-Woche frei einteilen – immer mit dem Fokus die gemeinsamen Ziele des Unternehmens im Team zu erreichen. Zudem war und ist ihnen, und das bereits vor Corona, offen gestellt Homeoffice-Tage nach Bedarf für sich in Anspruch zu nehmen. Unserer Aushilfe für den Online-Bereich arbeitet seit langem sogar ausschließlich im Homeoffice. Wir sind hier auf ihre Mutterrolle und den langen Anfahrtsweg aus Gütersloh eingegangen. Zudem sorgen regelmäßige Teammeetings für eine maximale interne Transparenz und Umsetzungsgewährleistung der nachhaltigen Zielumsetzung des Unternehmens.

Wie definierst Du Erfolg?

Erfolg ist das Erreichen selbst gesteckter Ziele und deswegen für jeden Menschen etwas Individuelles. Schaut man genau hin, steckt für mich übergeordnet jedoch immer dasselbe dahinter: das mit der Ziel-Erreichung verbundene einzigartige und wunderbare Glücksgefühl!

echtwert ist ein Ort für inspirierenden Austausch. Wer hat Dich zuletzt inspiriert? Und womit?

Tatsächlich hat mich Markus Franke inspiriert. Wir haben uns über das Colornetwork kennengelernt und er mich dann in den wunderschönen echtwert Store eingeladen. Dort habe ich direkt gespürt, dass unsere Stilrichtungen eine sehr ähnliche Sprache sprechen und das Werteverständnis der Produkte, die wir erschaffen, auch sehr nah beieinander liegt. Ich fühlte mich sehr inspiriert eine gemeinsame Kooperation zu starten, da ich sehr stark an diese Form der Zusammenarbeit und des Verkaufs von hochwertige Produkten glaube und davon überzeugt bin, dass dies eines der Geschäftsmodelle sein wird, die unsere Zukunft prägen werden.

Die Welt ist groß, warum Ostwestfalen?

Geboren und 30 Jahre gelebt habe ich im Ruhrgebiet – wegen eines Job-Wechsels bin ich dann nach Ostwestfalen gekommen. Im ersten Moment für mich ein wenig befremdlich, da die zwischenmenschliche Mentalität hier tatsächlich eine andere als im Ruhrpott ist. Es hat einen Moment gedauert, bis ich hier angekommen bin. Nun würde ich sagen, dass ich sogar hier verwurzelt bin und Ostwestfalen definitiv meine neue Heimat geworden ist, der ich mich sehr verbunden fühle. Aufgrund meines Jobs, in dem ich viel unterwegs bin, liebe ich den Ausgleich des Ländlichen, in dem ich aktuell lebe – und die Städte der Region bieten einem auch alles was das Herz begehrt. Ich bin angekommen, dennoch würde ich es niemals ausschließen vielleicht meine Wurzeln irgendwann nochmal woanders zu schlagen – aber sicher nicht in naher Zukunft.

Was würdest Du jedem empfehlen einmal auszuprobieren?

Oh, das ist schwierig für mich auf eine Sache zu beschränken, da mein Lebensmantra ist ´träume nicht dein Leben, sondern lebe deine Träume´! Ich versuche es dennoch: Jeder hat im Leben etwas was ihn begeistert und vielleicht doch auch gleichzeitig Angst macht. Wenn dem so ist, sollte man es tun, denn dann wird es unvergesslich. Mein Beispiel hier ist der Paragliding-Flug (pures like a bird -Feeling), den ich dieses Jahr 2021 im Sommer endlich gemacht hab. Ich habe ihn vor vielen Jahren von meiner Mutter zum Geburtstag geschenkt bekommen, weil ich mindestens einmal im Leben dieses Gefühl vom Fliegen erleben wollte. Hier schließt sich auch der Kreis zur ersten Frage wer/was Impulsgeber für like a bird war. Ich hatte einen sehr großen Respekt vor diesem Flug, da sowas natürlich mit Gefahren verbunden ist, aber ich habe, nachdem die ersten zwei Minuten in der Luft vergangen sind, ein Gefühl erlebt, welches ich niemals in meinem Leben mehr vergessen und wovon ich sicher noch vielen erzählen werde. Nicht nur meine Ängste überwunden zu haben, sondern dazu noch dieses tolle Glücksgefühl erleben zu dürfen – einfach nur großartig!

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